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Stefan Müller-Ruppert liestT.C. Boyle ist ein großartiger Erzähler. Martin Suters Bücher schaffen es regelmäßig auf die Bestsellerlisten. Vom Debütanten Olivier Bourdeaut darf man noch viel erwarten. Aber unumstrittener Höhepunkt der traditionellen Frühlingslesung in der Buchhandlung Volk war einmal mehr "der Hurst".

Die genialen Texte des Karlsruhers Harald Hurst, vorgetragen von Stefan Müller-Ruppert - genau diese Kombination ist unschlagbar und verliert auch bei ihrer Wiederholung nichts von ihrem Reiz. Ganz große Literatur ist das nicht. Aber ehrlich, direkt und authentisch.Hurst stand wie üblich erst am Ende an. Zuvor gab Müller-Ruppert in Absprache mit Buchhändler Johannes Volk einen Einblick in einige der "vielen guten" Neuerscheinungen des Frühjahrs, der aktuell freilich nicht mit entsprechenden Temperaturen aufwartete.

Ein Phänomen, das schon Erich Kästner bekannt war. Nach dessen Reimen, in denen der Lenz seine Premiere verschiebt und das "alte Stück April wieder aufgeführt wird", wurde mit das "Mainzer Rad" von Roman Kempf ein weiterer historischer Krimi des Autors vorgestellt, der seine Geschichten in Amorbach verortet hat. Ein Mönch entscheidet sich gegen die Kutte und für die Liebe - ein Mord verhindert aber das ersehnte Glück.

Brisante Themen

Mit "Die Terranauten" von T.C. Boyle durfte Müller-Ruppert einen seiner Lieblingsautoren vorstellen: "Keiner kann historisch oder aktuell brisante Themen so brillant darstellen." Hier erzählt der Autor von einem wissenschaftlichen Versuch im Amerika der 90er Jahre, in einem geschlossenen Ökosystem mit acht akribisch ausgewählten Menschen das Leben nachzubilden.

Vom Lieblingsautor zum Lieblingsbuch: "Warten auf Bojangles" vom französischen Nachwuchsautor Olivier Bourdeaut erzählt die Geschichte einer großen Liebe, die von einer manisch-depressiven Erkrankung getrübt wird: "Die zwei feiern das Leben, denn sie kennen auch die dunklen Momente."

Frauenfreundschaft

Traurig und schön, leichtfüßig und doch mit Tiefgang. Elena Ferrantes zweiter Teil einer Familiensaga aus Neapel, die die Frauenfreundschaft zwischen Lila und Elena zum Thema hat, war gegen das vorausgegangene schmale Buch ein echter Wälzer.

"Die Geschichte eines neuen Namens" wird als "grandioses Zeitpanorama" aus dem Italien des 20. Jahrhunderts beschrieben. Ebenfalls in Italien wächst Ninetto auf, allerdings unter schwierigen Umständen. Warum er früh die geliebte Schule verlassen und sich im fernen Norden als Tagelöhner seinen Lebensunterhalt verdienen muss und immer ein Verlierer bleiben wird, davon erzählt Marco Balzano anrührend in "Das Leben wartet nicht".

Weil Stefan Müller-Ruppert und Johannes Volk die Leidenschaft für die Kochkunst und gutes Essen verbindet, findet traditionell immer ein literarisch gestaltetes Kochbuch Eingang in die Lesung. Heuer war es Nigel Slaters "Ein Jahr lang gut essen". "Völlig abgedreht" seien die Rezepte des englischen Kultkochs und -autors: "Du glaubst nicht, dass das schmecken kann." Und dennoch seien sie jenseits vom Feinschmeckerwahn und der "Sündenbockfunktion" diverser Nahrungsbestandteile absolut alltagstauglich, wie Eigenversuche ergeben haben - sogar das Huhn mit Gänseschmalz und Matschkartoffeln.

Mit wässrigem Mund leitete Müller-Ruppert über zu Martin Suters "Elefant", in dem ein kleiner rosaroter Elefant, das Werk eines Genforschers, unter anderem die Welt des Obdachlosen Schoch in Zürich aufmischt. Skurril, futuristisch, aber nachvollziehbar und absolut lesenswert - so das Urteil. Und dann natürlich Hurst mit seiner genialen Kurzgeschichte "An die Luft gehen". So ziemlich alle Gäste werden sich beim nächsten schönen Sonntag an diesen Vortrag erinnern, der den "gnadenlos dynamischen Freizeitbetrieb" der deutschen Durchschnittsbevölkerung so wunderbar auf die Schippe nimmt.

Text und Bild: Simone Schölch